Die Judenverfolgunfg im Dritten Reich (1941-1942) - Иностранные языки - Скачать бесплатно
I. Einleitung
II. Im Allgemeinen.
III. Polen unterm Hakenkreuz.
IV. Exekutionen im Osten.
V. Die “Aussiedlung” (1942).
VI. Deportationen im Westen.
VII. Auschwitz.
VIII. Deutschland wird “judenrein”.
IX. Literaturverzeichnis.
I. Einleitung.
Die Naziordnung lieЯ nach sich die Spuren der Verbrechen, die zu jener
Zeit nicht alle fьr Verbrechen hielten.
Unter Untaten und Verbrechen belegt die Judenverfolgung einen mehr als
bedeutenden Platz.
In dieser Arbeit wird dieses Thema behandelt.
Es besteht ein Risiko, sich bei der Systematisierung von nazistischen
Untaten von dem zu behandelnden Thema zu distanzieren. Deshalb lassen wir
uns alle Verallgemeinerungen entgehen. Wir konzentrieren uns auf Zeugnisse
von unberьhmten, aber bestimmten Personen, die den unmenschlichen
Experimenten zum Opfer fielen.
Man kann uns beschuldigen, dass die Zeugnisse einen zu privaten
Charakter haben. Wir sehen diese Beschuldigungen voraus. Unser
Kontrargument ist, dass aus solchen “unberьhmten” Zeugen die Armee von
Opfern besteht, die sowieso berьhmt ist.
Das muss nicht beweisen werden. Weil die Beweise bis jetzt nicht
“ausgerottet” werden kцnnen, obgleich es die Leute gibt, die darauf Augen
zuzudrьcken versuchen.
Es lohnt sich den ganzen Umfang der Verwirklichung von der Politik,
die auf der Rassentheorie basierte, an Beispielen von ihren цstlichen
(Riga, Warschau, Breslau) und westlichen (Amsterdam, Auschwitz usw.)
Richtungen bei der Losung “judischer Frage” zu zeigen. Wir beschrдnken uns
auf den Zeitabschnitt 1941 - 1942. Als Epigraph zur Beschreibung einer
jeden Aktion wird die Rede von Nazisleaders angefьhrt. Dadurch wird ihre
Politik ohne weiteren Kommentar illustriert.
Hoffentlich wird diese Arbeit ein Beitrag zur Ermahnung an die
Ereignisse, die nie vergessen sein mьssen.
II. Im Allgemeeinen.
Merke, es gibt Untaten, ьber
welche kein Gras wдchst.
J. P. Hebel
Der 9. November 1938 wird in der deutschen Geschichte fьr immer ein
Datum der Schande bleiben. In der sogenannten “Reichskristallnacht” wurden
in ganz Deutschland die Schaufenster der judischen Geschдfte
eingeschlagen, die Synagogen angezьndet und Zehntausende jьdischer Bьrger
in die Konzentrationslager verschleppt. Dieser zentral gelenkte Pogrom war
nur das Vorspiel zum staatlich organisierten, industriell betriebenen
Massenmord an den Juden in Deutschland und allen besetzten Lдndern
Europas.
Schon wдhrend des zweiten Weltkrieges, als die Kamine von Ausschwitz
noch Tag und Nacht rauchten, verfassten jьdische Augenzeugen Berichte ьber
das Martyrium ihres Volkes und das Wьten der Mцrder. Im Versteck, in
Ghetto und Lagern, vor den Augen des Feindes, unter Lebensgefahr und oft
noch im Angesicht des Todes schrieben die Verfolgten ihre Erlebnisse auf.
Viele versteckten ihre Tagebьcher und vergruben ihre Notizen, weil sie
hofften, jemand kцnnte eines Tages ihre Aufzeichnungen finden, falls sie
selbst nicht am Leben blieben.
Es entstand eine neue Literatur, geboren aus dem drдngenden Bedьrfnis,
den Mitmenschen kundzutun, was man erlebt und gesehen hatte. Dieses
Bewusstsein der missionarischen Verpflichtung, eine Nachricht zu
ьberbringen, das heute manchen fremd anmuten mag, war damals aufrichtig
und allgemein. Selbst die Sterbenden baten die Jьngeren, die noch Kraft zu
einem Fluchtversuch hatten, die Botschaft von ihrem Leiden mit
hinauszunehmen in die Welt. Es ist keine nachtrдgliche Pose, wenn die
Ьberlebenden schreiben, dass nur dieser Gedanke sie aufrecht hielt, denn
nach dem Verlust ihrer Familie war ihnen der Tod oft vertrauter als das
scheinbar sinnlos gewordene Leben. Die Hцlle, der sie ausgesetzt waren,
schien so wahnwitzig, dass sie ьberzeugt waren, die Welt wьrde ihr
Fortbestehen nicht einen Tag lдnger dulden, wenn sie nur die Wahrheit
erfьhre - ja, diese Welt selbst kцnnte so nicht bestehenbleiben, in der
dies mцglich geworden war.
Die meisten Zeugnisse sind mit ihren Schreiben verschollen. Hier und
da fand man spдter hinter einer Mauer oder auf einem Dachboden ein
verstaubtes Heft, letztes Lebenszeichen eines Menschen, dessen Spur ins
Nichts fьhre. Einige Berichte wurden wдhrend des Krieges von Flьchtlingen
ins neutrale Ausland gebracht oder unter dem frischen Eindruck der
Erlebnisse in der Freiheit niedergeschrieben.
Jeder Ьberlebende glaubte etwas ganz Einmaliges und Wichtiges erzдhlen
zu mьssen. Er verstand sich als zufдlligen, vielleicht einzigen Zeugen
einer menschenvernichtenden Katastrophe. Damals waren die wenigen, die aus
Auschwitz oder dem brennenden Warschauer Ghetto entkamen, tatsдchlich
Sendboten aus einer Unterwelt, von der man noch auf keine andere Art
verlдssliche Nachricht empfangen hatte.
Auf Himmlers Befehl wurden zwar vor Kriegsende noch die meisten
Unterlagen seines Amtes vernichtet, aber schon die zufдllig erhalten
gebliebenen Dokumente ergeben ein erdrьckendes Beweismaterial. Die
Tatsachen sind heute allgemein bekannt oder kцnnten es zumindest sein, da
inzwischen genьgend dieser Akten verцffentlicht wurden.
Die Judenverfolgung, die sich bis zum staatlich organisierten Genozid
steigerte, ist das nach umfang und Systematik sicher furchtbarste
Verbrechen der Nazis, die auch Millionen Angehцriger der slawischen Vцlker
ermordeten. Die Juden waren die ersten Opfer eines umfassenden
Ausrottungsprogramms zur “rassischen Neuordnung” Europas, das von eimen
siegreichen Hitlerdeutschland verwirklicht worden wдre. Ihr Schicksal
beweist, in welchen Abgrund des Verbrechens die nazistische
Raubtierphilosophie fьhre. An diesem Beispiel zeigt sich die Krankheit
einer ganzen Epoche. Nicht eine judische, eine deutsche Angelegenheit wird
hier verhandelt.
Mit Hitlers Machtantritt war das Ende der Demokratie in Deutschland
gekommen. Die erste Terrorwelle richtete sich gegen die deutsche
Arbeiterbewegung, in der die Nazis zu Recht ihren entschiedensten Gegner
erkannten. Die Stimme der Vernunft und der Humanitдt musste gewaltsam zum
Schweigen gebracht werden, bevor die neuen Machthaber ihre Plдne in die
Tat umsetzen konnten. Bald wurden alle politischen Parteien verboten.
Entsetzt erkannten die Verfolgten, dass der Staat das Verbrechen schьtzte:
Verbrecher hatten die Staatsmacht ьbernommen. Noch gab es Widerstдnde in
der Maschinerie, aber die Gleichschaltung hatte begonnen. Eine wьste
antikommunistische und antisemitische Hasspropaganda diente der
Einschьchterung und Disziplinierung der Bevцlkerung wie der
psychologischen Vorbereitung weiterer Massnahmen, die den Terror zum
Gesetzt erhoben. Der Errichtung der Konzentrationslager fьr alle
politischen Gegner des Regimes folgten 1935 die Nьrnberger Rassengesetzte,
die den Rьckfall ins Mittelalter konstituierten.
1938 demonstrierte der neue Staat seinen kriminellen Charakter in
aller Цffentlichkeit. Der zentral gelenkte Pogrom vom 9. November, der von
der Propaganda als spontane Erhebung der deutschen Bevцlkerung hingestellt
wurde, leitete mit Brandstiftung, Mord und Massenverhaftungen eine zweite
Welle von Gesetzten ein. Man nahm den deutschen Juden auf juristischem
Wege die letzten Rechte und entzog ihnen die wirtschaftliche
Existenzgrundlage, um sie zur Emigration zu zwingen.
Nach Beginn des zweiten Weltkrieges wurde der bis dahin erreichte
Stand der antisemistischen Gesetzgebund in vollem Umfang auf die von
Hitlers Truppen ьberfallenen Lдnder ьbertragen. Die polnischen Juden
mussten als erste das Zeichnen des Davidsterns anlegen. Sie wurden in
bewachten Ghettos gefangengehalten, in denen Hunger und Seuchen bald ein
Massensterben auslцsten. In den westeuropдischen Staaten begnьgte man sich
vorerst mit der Registrierung und der Einfьhrung der
Kennzeichnungspflicht.
Mit dem Ьberfall auf die Sowietunion begann die nдchste Etappe. An die
Stelle der Umsiedlung trat nun die Vernichtung. In allen Dцrfern und
Stдdten von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer wurde die jьdische
Bevцlkerung unter dem Vorwand einer Registrierung zusammengetrieben und
bis auf wenige, fьr die Truppe unentbahrliche Fachkrдfte an Ort und Stelle
erschossen. Gelegentlich verwendete man auch Gaswagen, wie sie in
Deutschland bei der “Euthanasie”-Aktion eingesetzt wurden. Gleichzeitig
suchte man nach wirksameren und weniger auffдlligen Tцtungsmethoden.
An mehreren Orten im besetzten Polen, deren Namen heute die ganze Welt
kennt, wurden besondere Anlagen mit Gaskammern und Krematorien errichtet,
in dennen der Massenmord industriell betrieben werden konnte. 1942
erreichtete die Verfolgung ihre hцchste Stufe: das prinzip der Deportation
und Vernichtung wurde auf alle von Hitlerdeutschland besetzten Lдnder
angewandt. In Polen wurde ein Ghetto nach dem anderen mit barbarischer
Brutalitдt gerдumt und die gesamte Bevцlkerung - Mдnner, Frauen, Kinder
und Greise - in Gьterzьgen zur Hinrichtung gefahren.
In Westeuropa wiederholte sich dieselbe Tragцdie, ьberall begann nun
die grosse Menschenjagd. Wer nicht freiwillig zum Sammelplatz ging, den
holte die Polizei. Aus allen Himmelsrichtungen des Kontinents rollten die
Transporte in die Todeslager.
In Auschwitz-Birkenau entstand die zentrale Vernichtungsanlage, die
schliesslich eine Tageskapazitдt von 9000 vergasten und verbrannten
Menschen erreichte. Gleichzeitig befand sich hier das grцsste
Konzentrationslager, in dem hunderttausende von Deportierten als
Sklavenarbeiter fьr die deutsche Grossindustrie gehalten wurden, bis man
auch sie als arbeitsunfдhig vergaste oder verbrannte.
Die deutschen Juden hatten den lдngsten Leidensweg und gingen durch
alle seine Stationen. Sie starben in den Ghettos von Lodz und
Theresienstadt, in den Erschiessungsgruben von Riga und Minsk oder in den
Gaskammenr von Auschwitz und Treblinka. Nach achtjдhrigem Pariadasein
brachten sie nur noch wenig Widerstandskraft auf, als die Abtransporte
nach dem Osten begannen. Von der deutschen Bevцlkerung wurden die
Deportationen - wie alle anderen Verbrecher der Nazis - fast
widerspruchslos hingenommen. Wдhrend es in den europдischen Nachbarlдndern
selbst unter deutscher Besatzung zahlreiche Akte des Protestes und der
Solidaritдt gab, blieben in Deutschland die Kirchen stumm und Versuche von
Widerstand und Hilfe fьr die Verfolgten die Ausnahme.
Ьberall in Europa wurde ein stiller, zдher Kampf um falsche Pдsse, um
Waffen und um Obdach fьr die Untergetauchten gefьrt. Aber das stдrkste
Beispiel mutiger Auflehnung gab die polnische Judenheit. Es war das
Warschauer Ghetto, das 1943 zur letzten Schlacht antrat fьr das Recht des
Menschen, wie ein Mensch zu sterben. Die Flamme des Aufstandes griff auf
andere Ghettos und Todeslager ьber und wirkte bis in die Reihen der
westeuropдischen Rйsistance als Signal und Ermutigung.
Nach dem Beginn der sowjetischen Gegenoffensive begannen die Mцrder,
die Vernichtungslager einzuebnen. Sie liessen auch die riesigen
Massengrдber цffnen und die Leichen verbrennen, um keine Spuren ihrer
Verbrecher zu hinterlassen. Gleichzeitig wurden die Vergasungen in
Auschwitz noch ununtergebrochen fortgesetzt, nur vorьbergehend
eingeschrдnkt durch die Bedьrfnisse der Kriegswirtschaft, die mit der
Zielsetzung des Rassenwahns in Widerspruch geriet. 1944, zur Zeit der
alliierten Invasion, erfuhr der Massenmord mit der Deportierung einer
halben Million ungarischer Juden seinen grausigen Hцhepunkt. Ein Wettlauf
mit der Zeit begann.
Gegen Kriegsende wurden die Insassen der Konzentrationslager auf
Gewaltmдrschen ins Innere Deutschlands getrieben. Tausende fanden nich
wenige Tage vor der Befreiung den Tod. Kein Hдftling sollte in die Hдnde
der Sieger fallen. Man fьrchtete lebende Zeugen.
Ein Jude, der im besetzten Europa ьberleben wollte, musste nicht
einem, er musste hundert Toden entkommen. In jeder Stadt, in jeder Strasse
lauerten auf ihn die Menschenfдnger. Ihr Netz war eng und undurchlдssig,
und wer ihnen einmal entkam, war noch nicht gerettet.
Einige von Zeugen konnten noch rechtzeitig auf legalem Wege ihre
Heimat verlassen. Die meisten hatten einen gefдhrlicheren Weg. Sie
entkamen den Razzien, flohen aus den Ghettos und brachen aus den
Deportationszьgen aus. Sie lebten im Versteck oder mit falschen Papieren,
schlugen sich in neutrale Lдnder durch oder gingen in die Wдlder zu den
Partisanen. Das Lager haben nur die wenigen ьberlebt, die bessere
Lebensbedingungen hatten, weil sie als Дrzte oder Bьrokrдfte fьr die SS-
Verwaltung arbeiteten, oder jene, die erst im letzten Kriegsjahr
eingeliefert wurden und noch besonders widerstandsfдhig waren. Jeder von
ihnen hдtte eine Odyssee zu berichten.
Die Jahre vergehen, die Spuren von Blut und Asche sind verblasst. Ьber
der gemarterten Erde Polens und der ehemaligen Sowjetunion, auch auf dem
Boden der frьheren Vernichtungslager und Erschiessungsgruben, wдchst ein
Gras, und mit ihm wдchst die Gefahr des Vergessens.
III. Polen unterm Hakenkreuz.
“Heute, mein Fьhrer, steht das Volk einiger denn je um sie geschart.
Was Sie von diesem Volk fordern werdern, es wird freudig alles in blindem
Vertrauen geben. Es wird in blindem Vertrauen dem Fьhrer folgen. Wie ein
stдhlerner Block im glьhenden Feuer gewaltiger Ereignisse ist heute die
Einheit Deutschlands.
Das Volk geht dorthin und wird dorthin marschieren, wohin Sie die
Richtung geben. Sei es zum erwьnschten Frieden, sei es aber auch zum
entschlossensten Widerstand.
Niemals aber haben wir, das deutsche Volk, freudiger und ьberzeugter
und entschlossener den Willen bekundet: Fьhrer befiehl, wir folgen”.
Hermann Gцring.
Die Judenverfolgung in Polen beschrдnken sich natьrlich nicht mit dem
Zeitabschnitt von 1941 bis 1942. Sie haben eine lange Vorgeschichte.
Historisch gesehen, die Beziehungen zwischen Bevцlkerung Polens und
Deutschlands waren immer gespannt. Davon zeugen zahlreiche lokale
Konflikte, die spдter in die Kriege ьbergangen. Territoriale Ansprьche von
beiden Seiten verschдrften die Situationen an der Grenze.
Deutschland hat wдhrend des zweiten Weltkrieges alle Bilanzen gezogen.
Die ersten Schцsse knallten nдmlich auf dem Gelдnde von Polen. Dieses Land
wurde zum ersten Objekt der deutschen Aggression. Die Truppen der
deutschen Soldaten marschierten am 1. September 1939 ein im Einklang mit
Panzer- und Flugzeugemotorengebrьll. Polen gab blitzschnell den Widerstand
auf. Es fiel unter die Stiefel von Siegern.
“Hitlerkameraden” konnten sich aber mit einem blossen Untergang von
Polen nicht befriedigen. Das Land verwandelte sich zu einem der
schlimmsten Polygonen, wo die Rassenpolitik durchgemacht wurde.
Es lohnt sich nicht, die ganze bьrokratische Begrьndung (eine Menge
von Unterlagen) anzufьhren, um das, auf welche Weise das System der
Judenverfolgung aufgebaut wurde, zu zeigen. Es wird eine kurze Verordnung
von 14. November 1939 reichen:
“Erhebliche durch die Juden verursachte Missstдnde im цffentlichen
Leben des Verwaltungsbereichs des Regierungsprдsidenten zu Kalish
veranlassen mich, fьr den Verwaltungsbereich des Regierungsprдsidenten zu
Kalish folgendes zu bestimmen:
§ 1
Als besonderes Kennzeichen tragen Juden ohne Rьcksicht auf Alter und
Geschlecht am rechten Oberarm unmittelbar unter der Achselhцle eine 10 cm
breite Armbinde in judengelber Farbe.
§ 2
Juden dьrfen im Verwaltungsbereich des Regierungsprдsidenten zu Kalish
in der Zeit von 17 - 8 Uhr ihre Wohnung ohne meine besondere Genehmung
nicht verlassen.
§ 3
Zuwiderhandlungen gegen diese Verordnung werden mit dem Tode bestraft.
Bei Vorliegen mildender Umstдnde kann auf Geldstrafe in unbeschrдnkter
Hцhe oder Gefдngnis, allein oder in Verbindung miteinander, erkannt
werden.
§ 4
Diese Verordnung tritt bis auf die Bestimmung in § 1 sofort von 18.
November 1939 ab in Kraft.
Lodz, den 14. November 1939.
Der Regierungsprдsident zu Kalish
Ьbelhцr”.
Hinter den ganz offiziell und absolut neutral klingenden Wцrtern
versteckt sich der Begriff “Ghetto”. Eine von Hдflingen Mary Berg
beschreibt in irhen Tagebьchern, die sie spдter (“Zwei Jahre im Warschauer
Ghetto”) genannt und verцffentlicht hat, ihr Leben darin. Jede Seite ist
ein kompromissloses Zeugnis und eine offene Beschuldigung:
“15. November 1940.
Heute wurde das judische Ghetto offiziell eingerichtet. Es ist den
Juden verboten, sich ausserhalb seiner Grenzen zu bewegen, die von
bestimmten Strassen gebildet werden. Es herrscht grosse Aufregung. Die
menschen eilen nervцs in den Strassen hin und her und geben flьsternd
Gerьchte weiter, eines phantastischer als das andere.
Die Arbeit an den Mauern, die fast drei Meter hoch werden sollen, hat
schon begonnen. Von Nazi-Soldaten bewacht, schichten jьdische Mauer Ziegel
auf Ziegel. Wenn einer nicht schnell genug arbeitet, wird er von den
Aufsehern geschlagen. ich muss an unsere Sklaverei in Дgypten denken, wie
sie in der Bibel beschrieben ist. Aber wo ist der Moses, der uns aus
dieser neuen Knechtschaft fьhren wird?
Am Ende der Strassen, die noch nicht vцllig fьr den Verkehr gesperrt
sind, stehen deutsche Wachen. Deutsche und Polen dьrfen das abgesperrte
Viertel betreten, aber keine Pakete bei sich tragen. Das Gespenst des
Hungertodes steht uns allen vor Augen”.
Die Nazisverbrecher дusserten eine feine Erfindlichkeit beim
Einrichten des Ghettos. Als hдtten sie vorausgesehen, dass sie fьr ihre
Taten Verantwortung tragen werden (nicht die propagierte, sondern ganz
reale), machten sie alles so, dass es die Mцglichkeit gab, sich in einem
Gerichtsprozess zu verteidigen. Ein jeder Nazi, sogar derjenige, der ein
unmittelbarer Vollzieher der Rassentheorie, konnte die Beschuldung
ablehnen. Er hatte immer das Argument, er habe Folge dem Befehl des
Obergestellten geleistet, wenn das aber nicht funktionierte, er hatte noch
eine Chance, und zwar: er selbst habe niemanden totgeschlagen oder
geschossen. Die Juden starben selber. Er weiss nicht, woran das gelegen
habe - vielleicht am Hunger oder an der Kдlte. Diese Erscheinung befanden
sich aber ausserhalb seiner Befugnisse.
Inzwischen funktionierte der Mechanismus des Massenmordes weiter.
Kдlte, Hunger, Blokade und Beschrдnkung der Bewegungen arbeiteten mit
Nazis Hand in Hand zusammen:
“4. Januar 1941.
Das Ghetto liegt im tiefen Schnee. Es ist schrecklich kalt, und keine
Wohnung ist geheizt. Wo ich auch hingehe, finde ich die Menschen in Decken
gehьllt oder unter Federbetten zusammengekauert, soweit diese warmen
Sachen nicht schon von den Deutschen fьr ihre Soldaten beschlagnahmt
worden sind. Die bittere Kдlte macht die deutschen Posten, die an den
Ghettotoren Wache stehen, noch grausamer als sonst. Wenn sie durch den
tiefen Schnee auf und ab stapfen, schiessen sie von Zeit zu Zeit. Nur so,
um sich aufzuwдrmen. Viele Passanten werden ihre Opfer. Andere Wachen, die
sich wдhrend ihres dienstes langweilen, organisieren sich eine besondere
unterhaltung. Sie wдlen sich zum Beispiel ein Opfer unter den zufдllig
Vorьbergehenden und befehlen ihm sich mit dem Gesicht in den Schnee zu
werfen. Wenn er einen Barr trдgt, reissen sie ihn aus, bis der Schnee sich
vom Blut rot fдrbt. Falls so ein Nazi schlechter Laune ist, kann auch der
judische Polizist, der mit ihm Wache steht, das Opfer sein.
Gestern beobachtete ich, wie ein deutscher Gendarm einen judischen
Polizisten auf der Chlodna-Strasse, in der nдhe des Durchgangs vom grossen
zum kleinen Ghetto, “exertieren” lies. Der junge Mann war zum Schluss
vцllig auser Atem, aber der nazi zwang ihn weiter auf und nieder, bis er
in einer Blutlache zusammenbrach. Jemand rief nach einen Krankenwagen, und
der judische Polizist wurde auf eine Bahre gelegt und mit einem Handwagen
fortgebracht. Im ganzen Ghetto gibt es nur drei Krankenwagen, deswegen
werden meistens Handwagen benutzt...”.
Um sich zu versichern, dass getroffene Massnahmen effektiv sind,
beschrдnkten Nazisverbrecher die Lieferungen von Lebensmitteln nach
Ghetto.
“28. Februar 1941.
Die Brotknappheit wird immer schlimmer. Auf die Lebensmittelkarten
gibt es sehr wenig, und auf dem Schwarzen Markt kostet ein Pfund Brot
jetzt zehn Zloty. Das Brot ist schwarz und schmekt nach Sдgespдnen.
Weisses Brot kostet sogar 15 bis 17 Zloty. Auf der “arischen” Seite sind
die Preise viel niedriger”.
Und gleichzeitig wurde Ghetto mit neuen Opfern, die aus Fluchtlingen
bestanden, immer mehr bepackt. Es herrschte totale Antisanitдrie. Im
Winter 1941 zugefrorene Abwдsserrцren wurden nie renoviert. Der Mangel an
Arzneien fьhrte zur Gefahr der Cholera-Epidemie.
Das war aber nicht der Schluss, der den Becher des Unglьcks zum
Ьberlaufen bringen kцnnte. Der Mensch kann viel erdulden, wenn er in
psychologischer Ruhe ist. Das verstanden die Nazi und als das letzte
Mittel wurde von ihnen Desinformation erschцpferischen Charakters in Gang
gesetzt:
“17. April 1942.
Das ganze Ghetto war heute in Panikstimmung. Die Leute verschlossen
eilig ihre Lдden. Es lief ein Gerьcht um, dass ein besonderes
“Vernichtungskommando”, das schon den Pogrom in Lublin verьbt hat, in
Warschau angekommen sei, um auch hier ein Massaker zu organisieren”.
Wir haben die Zeilen nur von einem Menschen angefьrt.
Also nur von einem Opfer.
Insgesamt betrug die Zahl von Opfern 4800000 Menschen, unter denen
1600000 ums Leben gekommen sind.
IV. Exekutionen im Osten.
“Ich will hier vor Ihnen in aller Offenheit auch ein ganz schweres
Kapitel erwдhnen. Unter uns soll es einmal ganz offen ausgesprochen sein,
und trotzdem werden wir in der Цffentlichkeit nie darьber reden...
Ich meine jetzt die Judenevakuierung, die Ausrottung des jьdischen
Volkes. Es gehцrt zu den Dingen, die man leicht ausspricht.- “Das jьdische
Volk wird ausgerottet”, sagt ein jeder Parteigenosse, “ganz klar, steht in
unserem Program, Ausschaltung der Juden, Ausrottung, machen wir”... Von
allen, die so reden, hat keiner zugesehen, keiner hat es durchgestanden.
Von euch werden die meisten wissen, was es heisst, wenn 100 Leichen
beisammenliegen, wenn 50 daliegen oder wenn 1000 daliegen. Dies
durchgestanden zu haben und dabei - abgesehen von Ausnahmen menschlicher
Schwдchen - anstдndig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht. Dies
ist ein niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt
unserer Geschichte”.
Heinrich Himmler in einer Rede vor
SS-Fьhrern in Posen am 4. Oktober 1943.
Exekutionen im Osten hatten ein vielfaltigen Charakter.
Dass Hitler in seinem Programm die Absichten дusserte, die
Untermenschen zu vernichten, zu denen ausser Juden auch Slaven gehцrten,
ist weltbekannt.
Die Handlungen von Nazis verbreiteten sich auf Russen, Polen,
Ukrainern, Tschechen und Slovaken. Bis jetzt sind die Stellen der
Massenmorde nicht zu vergessen.
Ein besonderer Punkt ist der Krieg mit Partisanen. Dass die Menschen
auf dem besetzten Gelдnde Widerstand leisten, war ausserhalb des deutschen
Verstдndnisses. Darьber hinaus wurden die Menschen, die an der Teilnahme
an der Partisanenbewegung verdдchtigt gewesen waren, sehr hart behandelt.
Zahlreiche Foltern, mittelдlterische Erfindlichkeit beim Umbringen,
Verfolgerungen der Verwandten bleiben bis jetzt im Gedдchtnis der
Цffentlichkeit.
Natьrlich wurden Juden von Nazis nicht ausser Acht gelassen.
Aus dem Tagebuch des SS-Hauptscharfьhrers Felix Landau.
“11.07.1941. Um 11 Uhr Abends kamen wir zurьck zur Dienststelle.
Hochbetrieb. Unten im Keller, den ich noch vormittags ausgerдumt habe,
stehen fьnfzig Hдftlinge, darunter
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